10.01.2021 1. Sonntag nach Epiphanias

10.01.2021 1. Sonntag nach Epiphanias

Predigt: Römer 12:1-8

1 Ich ermahne euch nun, Brüder und Schwestern, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr euren Leib hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. 2 Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. 3 Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich's gebührt, sondern dass er maßvoll von sich halte, wie Gott einem jeden zugeteilt hat das Maß des Glaubens. 4 Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, 5 so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied. 6 Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Hat jemand prophetische Rede, so übe er sie dem Glauben gemäß. 7 Hat jemand ein Amt, so versehe er dies Amt. Ist jemand Lehrer, so lehre er. 8 Hat jemand die Gabe, zu ermahnen und zu trösten, so ermahne und tröste er. Wer gibt, gebe mit lauterem Sinn. Wer leitet, tue es mit Eifer. Wer Barmherzigkeit übt, tue es mit Freude.

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!

Da muss ich erst einmal innehalten. Das klingt für mich befremdlich. Wir sollen unsere Leiber zum Opfer darbringen. Das ist eine Sprache, die mich in unserer Zeit verwirrt. Und ich frage mich, was meint  der Apostel damit? Und was soll uns das bringen? Opfer! Das erinnert mich eigentlich an etwas nicht so Schönes. Wenn wir in unseren Tagen von Opfern hören, dann sind das meist Menschen, die ein Unglück erlebt haben. Wir sprechen von Verkehrsopfern, also Menschen, die bei einem Unfall im Straßenverkehr gestorben sind. Oder aber ganz aktuell: Die Pandemie hat bisher so viele Opfer gefordert, also Menschen, die an der Krankheit verstorben sind. Aber das meint doch der Apostel hier nicht! Manchmal sprechen wir auch davon, dass wir eine Sache opfern für eine andere. Und damit meinen wir, dass wir etwas oder vielleicht sogar jemand aufgeben zugunsten einer anderen Sache oder Person. Und das ist das ist auch keine angenehme Vorstellung. Und dann haben wir von unseren Jugendlichen noch im Ohr: „Du Opfer!“ Und dieser Ausspruch meint doch nichts anderes wie „Du Versager!“

Gehen wir in alte, biblische Zeiten zurück, dann denken wir beim Stichwort „Opfer“ an die Opfer, die im Tempel Gott dargebracht worden sind als Ersatz für unser menschliches Versagen, für unsere Fehler und Schwächen. Doch mit dem Kreuzestod Jesu hat auch dieses Opfer zumindest für uns Christinnen und Christen einen anderen Akzent erhalten. Wir brauchen jedenfalls kein Opfer mehr im herkömmlichen Sinn zu bringen. Denn Jesus hat all unser Minus im Leben ausgeglichen.

Was kann dann also Paulus hier mit Opfer meinen?  Je mehr ich darüber nachdenke und den Zusammenhang erfasse, geht es um unsere Beziehung zu dem lebendigen Gott. Und der Begriff „Opfer“ kennzeichnet unsere Hingabe, unsere Zuwendung zu Gott. Und dieser Schritt bleibt nicht ohne Folgen. Wenn ich mich Gott anvertraue, dann kann mein Leben nicht mehr von Vorstellungen dieser Welt geprägt sein. „Erneuert eure Sinne“, dazu ruft uns Paulus auf. Und das meint, dass wir dem Streben dieser Welt eine Absage erteilen. Alles um sich selbst Kreisen, alles nur an sich Denken hat da keinen Platz mehr. Es geht um einen neuen Blick, eine neue Sicht der Dinge. Wer sein Leben Gott anvertraut, der fragt zuerst: Wie würdest Du handeln? Wie würdest Du reagieren, Jesus? Und das kann kein Weg sein, der nur auf das Eigene, auf den eigenen Vorteil, auf die eigene Macht schaut. Der Blick mit den Augen Gottes nimmt die anderen Menschen in den Fokus. Hier geht es darum, den anderen so zu sehen, dass er auch ein geliebtes Geschöpf Gottes ist. Und somit komme ich an den Mitmenschen nicht vorbei, kann sie nicht links liegen lassen. Ich werde berührt von ihren Sorgen und Nöten. Ich lasse sie an mich heran.

Heute, an diesem Sonntag feiern wir die Taufe Jesu. Und dabei erinnern wir uns, wie Jesus im Jordan von Johannes dem Täufer getauft worden ist. Und in diesem Moment war eine Stimme über Jesus zu hören: „Die ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.“ Das ist der neue Lebensstil, den Paulus zur Sprache bringt. Es ist der Lebensstil, der sich an Jesus und seinem Wort orientiert. Und somit denken wir auch an unsere Taufe. Denn hier hat Gott auch zu uns, zu mir und Dir gesagt: Ich habe Dich von Herzen lieb. Du bist mein geliebtes Kind. Du gehörst zu mir. Du darfst den Weg mit mir gehen. Lebe also die Freundschaft! Lebe die Beziehung zu Gott. Und somit gilt es immer wieder, sich zu prüfen: Gehen wir noch diesen Weg mit Jesus? Oder lassen wir uns wieder von den alten Gewohnheiten, von den alten Befindlichkeiten gefangen nehmen? Schauen wir immer aus unserer eigenen Perspektive und urteilen von daher? Ist das die Richtschnur, nach der wir leben? Oder fragen wir: Bin ich noch auf dem richtigen Weg? Gott gibt mir Signale, dass ich erkenne, wo ich Deine Liebe verlasse?

Paulus möchte uns neu bewusst machen, dass wir als Christinnen und Christen in eine Gemeinschaft gestellt sind. Und dazu gebraucht er dieses schöne Bild von einem menschlichen Körper. Und das bedeutet: In der Gemeinde sollte es so sein, dass Christus das Haupt ist, also die Schaltzentrale des Lebens. Er gibt die Impulse, wie wir leben können. Aber wir sind Teil an seinem Leib, an seinem Körper. Wir sind die einzelnen Körperteile. Und damit drückt er auf der einen Seite die enge Verbundenheit zu Jesus aus, auf der anderen Seite macht er anschaulich, dass wir alle miteinander verbunden sind und nicht ohne die anderen können. Doch zugleich werden wir mit diesem Bild auch entlastet: Keiner von uns muss alles machen, alles können und für alles verantwortlich sein. So wie es an einem Körper ganz unterschiedliche Körperteile mit verschiedenen Funktionen gibt, so haben wir unseren ganz persönlichen  und einmaligen Platz im Gesamten der Gemeinde. Und wie bei einem Körper alle Teile wichtig sind, so besitzen wir alle unsere ganz persönliche Bedeutung. Jede und jeder von uns ist mit Begabungen und Fähigkeiten ausgestattet. Jede und jeder von uns hat seine ganz individuelle Geschichte, sein eigentümliches Wesen. Und gerade diese einmaligen Akzente, die kein anderer ersetzen kann, machen jeden Menschen in der Gemeinschaft der Christen wichtig.

Paulus geht es also darum, zu zeigen, dass sich die Gemeinde um Jesus sammelt, auf ihn hört, von ihm lernt und seine Wege gehen will. Dass dies nicht immer gelingt, ist die nüchterne Realität in dieser Welt. Aber das ist wohl auch der Grund, weshalb er das gegenüber den Christinnen und Christen in Rom erwähnt. Es geht ihm darum, dass wir uns immer wieder auf den zurückbesinnen, der uns sagt: Gerade Dich brauche ich in meiner Gemeinschaft. Denn auch unter Christinnen und Christen kann es zu Unstimmigkeiten kommen. Auch in der Gemeinde schleichen sich immer wieder eigene Sichten und Interessen ein. Und ich denke, dass wir alle das Kennen, dass wir unsere eigne Sicht der Dinge haben und somit ganz leicht dazu kommen, andere Sichtweisen als nicht so entscheidend zu sehen. Man ist so gerne selber im Recht und so wenig bereit, sich zu hinterfragen. Das ist eine natürliche Reaktion von uns Menschen. Aber deshalb sagt Paulus: Gebt Euch zum Opfer hin! Opfert euren Egoismus. Verändert Euch, feiert den vernünftigen Gottesdienst: Und das ist die Hingabe und Zuwendung zu Gott und die Bereitschaft sich einzubringen zum Bau der Gemeinde.

Und da haben wir alle eine Platz, einen Platz, den uns niemand streitig machen kann. Aber wir dürfen diesen Platz auch nicht ei seitig für uns ausnutzen. Paulus spricht hier nun einige Gaben, Begabungen und Fähigkeiten an, die ein Glied am Leib Christi haben kann. Und er ermutigt, diese ganz individuellen Begabungen einzubringen in das Ganze, und zwar so, dass sie richtig eingesetzt sind, zur Auferbauung der ganzen Gemeinde und im Hören auf das Wort des Herrn. Wir sollen unsere Möglichkeiten für die Gemeinschaft in der Familie Gottes nicht hinter dem Berg halten. Gott möchte uns begeistern und mit dieser Begeisterung können wir uns einbringen und erleben, was Gemeinschaft bedeutet. Und damit spricht Paulus etwas an, was gerade in unserer Zeit wieder ganz wichtig ist:
Die innere Haltung, die Hingabe an den lebendigen Gott öffnet uns für Gott und unsere Mitmenschen. So bekommen wir Impulse, in dem neuen Geist unseres Herrn zu leben, die Gemeinschaft des Leibes Christi zu suchen und sich einzubringen. Und wir können erkennen, dass wir einen wichtigen Platz im Ganzen haben dürfen. Diesen Platz können und dürfen wir ausfüllen und wahrnehmen. Das Leben in der Gemeinde wird dadurch lebendig, wenn wir uns rufen lassen, unsere Fähigkeiten und Begabungen einzubringen. Im Zusammenspiel aller wird der Leib Christi lebendig, Und das strahlt aus und begeistert, wenn andere Menschen entdecken und spüren: Hier ist etwas anders als in der Welt.

„Ändert Euch durch Erneuerung eures Sinne!“ Lassen wir uns immer wieder neu wachrütteln. Wir sind geliebte Kinder Gottes. Und das bedeutet auch, dass wir aus dieser Liebe und in dieser Liebe leben können, dass wir Schritte der Veränderung, der Vergebung, des Neuanfangs gehen können, damit die Gemeinschaft begeistert und lebendig sein kann. Wir gehören dazu! Wir gehören zum  Leib Christi! Deshalb lasst uns mit erneuertem Sinn leben.

Ihr Pfarrer Carsten Klingenberg