25.04.2021 Jubilate

25.04.2021 Jubilate

Predigt: Apostelgeschichte 17:22-34 LÜ

22 Paulus stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. 23 Denn ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt. 24 Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darinnen ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. 25 Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt. 26 Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, 27 dass sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. 28 Denn in ihm leben, weben und sind wir; wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts. 29 Da wir nun göttlichen Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht. 30 Zwar hat Gott über die Zeit der Unwissenheit hinweggesehen; nun aber gebietet er den Menschen, dass alle an allen Enden Buße tun. 31 Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er richten will den Erdkreis mit Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat jedermann den Glauben angeboten, indem er ihn von den Toten auferweckt hat. 32 Als sie von der Auferstehung der Toten hörten, begannen die einen zu spotten; die andern aber sprachen: Wir wollen dich darüber ein andermal weiterhören. 33 So ging Paulus weg aus ihrer Mitte. 34 Einige Männer aber schlossen sich ihm an und wurden gläubig; unter ihnen war auch Dionysius, einer aus dem Rat, und eine Frau mit Namen Damaris und andere mit ihnen.

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!

Seit einiger Zeit vernehmen wir auch in Funk und Fernsehen immer mehr sogenannte gendergerechte Sprache. Da wird immer mehr an manche Worte ein „innen“ angehängt. Das begegnete uns schon seit längerer Zeit in der Schriftsprache auf verschiedene Weise. Anfangs konnten wir diese Form mit einem groß geschriebenen Binnen-I antreffen, dann wurde das „innen“ mit eine Unterstrich verbunden, dann wiederum mit einem Sternchen* und neuerdings mit einem Doppelpunkt. In jedem Fall geht es darum, alle Menschen in gleicher Wertschätzung anzusprechen oder zu benennen. Niemand soll benachteiligt werden. Niemand soll vergessen werden. Alle sollen in gleicher Weise einbezogen sein. Für die einen ist es mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen, in gendergerechter Sprache sich auszudrücken, für die anderen ist dieser Weg gar nicht so recht nachvollziehbar. Da wird das Sprachempfinden massiv gestört. Da sträuben sich manche, denen diese neuen sprachlichen Regelungen einfach gegen den Strich gehen. An der Gendersprache scheiden sich die Meinungen.

Neulich war in einem Bericht zu lesen, dass es mittlerweile sogar an Universitäten vorgekommen ist, dass Arbeiten, die nicht in gendergerechter Sprache verfasst worden sind, abgelehnt worden sind. Hier wird deutlich, wie das ursprüngliche Anliegen und der Versuch, alle Menschen in gleicher Weise zu berücksichtigen und wertzuachten, an seine Grenzen gestoßen ist. Wenn gutgemeinte Versuche zu ideologischen Grundsätzen werden, so dass nicht einmal mehr der Inhalt Berücksichtigung erfährt, dann ist der Weg zum Scheitern verurteilt. Denn hier werden auf ein Mal Menschen, die eine andere Meinung vertreten, die ein anderes Sprachempfinden besitzen, die auf andere Weise versuchen, den Menschen gerecht zu werden, diskriminiert und ausgegrenzt. Das kann aber doch nicht das Ziel sein.

In jedem Fall bleibt es eine Herausforderung, einander wahr- und ernstzunehmen, sich zu achten und zu respektieren in seiner unterschiedlichen Art und Weise des Denkens und Empfindens, in seinen Sichtweisen.

Eine bemerkenswerte Form der gegenderten Sprache begegnete mir vor einiger Zeit in Blick auf das Wort „Gott*“. Dieses wurde mit einem Gendersternchen am Schluss geschrieben. Und damit befinden wir uns mitten in der Thematik, die auch Paulus beschäftigte. Er ging einst in Athen spazieren. Auf dem Areopag begegneten ihm dort zahlreiche Altäre. In Griechenland gab es eine sehr vielfältige Götterwelt. Und so haben die Menschen diesen Göttern in Form von Kultstätten reichlich Raum gegeben. Die Menschen wollten keinen Gott auslassen. Alle sollten in entsprechender Weise gewürdigt werden. Alle sollten geachtet werden. Kein Gott, keine Göttin sollte vergessen werden. Und so wurde sicherheitshalber auch noch ein Altar dem unbekannten Gott gewidmet. Lieber auf Nummer sicher gehen! Das waren die Gedanken der Menschen in Athen. Schließlich ging es ja auch um das persönliche Seelenheil und das der ganzen Gemeinschaft. Um in dieser Welt bestehen zu können, um einen Halt fürs Leben zu haben, wollte man im wahrsten Sinne des Wortes political correct sein.

Nun, das Wort Gott mit Sternchen möchte aber noch auf einen weiteren Aspekt hinweisen. Hier geht es zudem darum, Gott nicht auf ein bestimmtes Geschlecht festzulegen. Das Wort Gott verlangt zwar von seiner Wortgattung her den sogenannten männlichen Artikel, doch ist es für viele Menschen wichtig, auch die weibliche Seite Gottes herauszustreichen. Und dahinter steht in der Tat ein ganz entscheidender Punkt. Auch wenn in der Bibel viele bildliche Vergleiche in Blick auf Gott männlicher Natur sind, so kann man Gott nicht auf das männliche Geschlecht reduzieren. Doch da müssen wir noch einen Schritt weitergehen. Denn letztlich kann Gott in seiner Größe gar nicht in Kategorien wie männlich und weiblich gefasst werden. Er ist eben viel größer. Und somit behelfen wir uns mit unserer Sprache immer nur, wenn wir über Gott sprechen. Und da müssen wir auch wieder aufpassen, dass wir nicht vor lauter Versuchen, Gott sprachlich so fassen zu wollen, dass uns ja kein Akzent auskommt, das eigentliche Wesen Gottes aus dem Blick verlieren.

Paulus beginnt auf dem Areopag in Athen eine Rede. Und er greift gerade den Altar für den unbekannten Gott auf. Das ist ein rhetorisch geschickter Schachzug. Denn somit ist Paulus gleich bei seinen Zuhörern. Er ist in ihrer Welt angekommen und kann sie dort abholen, um ihnen seine Botschaft nahezubringen. Und Paulus sagt: Diesen unbekannten Gott, den kenne ich. Und von diesem unbekannten Gott möchte ich Euch jetzt erzählen. Denn dieser Gott passt nicht in Eure menschlichen Rahmen. Ihr könnt ihn nicht in einen Tempel sperren. Ja, Ihr könnt ihn überhaupt nicht einsperren in Eure Vorstellungen. Er durchbricht alle menschlichen Kategorien. Und doch kommt uns gerade dieser Gott so nah.

Um dies zu verstehen, müssen wir aber unser Denken umstellen. Dieser unbekannte Gott ist kein Gott, den wir Menschen uns zusammengestellt haben. Wir können ihn mit unseren Menschenhänden und mit unseren intellektuellen Gedanken nicht basteln. Dieser Gott ist kein Geschöpf unserer Vorstellungswelt und unserer Phantasie. Vielmehr müssen wir alles auf den Kopf stellen. Denn letztlich sind wir Menschen  seine Geschöpfe. Und somit haben wir nicht Handhabung über ihn. Aber dennoch ist er uns ganz nah. „Wir sind seines Geschlechtes“, sagt Paulus. Und er greift damit auf die Schöpfung zurück: „Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde. Er schuf ihn als Mann und als Frau.“ Somit dürfen wir alle, wer wir auch sind, Anteil haben an seiner Zuwendung und Wertschätzung. Wir alle sind seine geliebten Kinder. Und somit sind alle Menschen im Blick. Bei Gott ist kein Mensch ausgelassen oder übersehen.

Und das ist eine ganz wichtige Botschaft für uns Menschen, die wir in dieser Welt leben. Wir benötigen einen Halt, eine Orientierung für unser Leben. Wir müssen inmitten der Herausforderungen dieser Welt bestehen. Und da gibt es vieles, was unser Leben infrage stellen möchte, was uns aus der Bahn werfen möchte. Und da ist es entscheidend, jemand zu haben, auf den wir uns verlassen können. Und das ist der Gott, von dem Paulus spricht.

Dieser Gott unterscheidet sich aber grundlegend von all den anderen Göttern. Er ist kein Gott, der unseren Gedanken entsprungen ist. Er ist kein Gott, den wir mit irgendwelchen Statuen oder Bildern gleichsetzen können. Er ist ein Gott der alle Dimensionen sprengt.

Um ihn nun kennen zu lernen, um ihm nahe zu kommen, ist es entscheidend, dass wir eine Richtungsänderung vornehmen. Da geht es ganz grundlegend darum,. dass wir zuallererst einmal von unseren Vorstellungen von einem Gott, einer Göttin, von Göttern Abschied nehmen. Paulus sagt, dass wir Buße tun müssen. Und Buße bedeutet Umkehr. Wir brauchen eine neue Blickrichtung, eine neue Einstellung unserer Gedanken, unseres Herzens. Denn nicht wir müssen uns auf den Weg machen und uns einen Halt für das Leben basteln. Vielmehr ist das Geheimnis dieses Gottes, von dem Paulus spricht, dass er uns Menschen entgegenkommt. Er möchte uns begegnen. Und deshalb ist es wichtig, dass wir uns auf Empfang stellen, dass wir bereit sind, ihn an uns heranzulassen, dass wir offen sind für seine Botschaft. Und diese Botschaft hat es in sich.

Paulus spricht von Ostern. Er erzählt von der Auferstehung. Und damit sagt er: Was auch immer kommen mag, was Dich in dieser Welt schrecken mag, was Dein Leben in Frage stellen mag, habe keine Angst. Denn dieser Gott ist so groß, dass er die Macht des Todes gesprengt hat. Er hat sich zugleich so klein gemacht, dass er den Weg von uns Menschen gegangen ist, um uns ganz nah zu sein, um bei uns zu sein, auch in den Stunden des Leidens, der Schmerzen, der Verzweiflung und des Todes. Und er schenkt uns die Perspektive, die frei macht, die den Weg in die Zukunft eröffnet. Gott ist mit Dir. Er möchte Dich begleiten und Dir den Halt fürs Leben geben. Diese Botschaft gilt allen vorbehaltlos. Doch dazu ist nur ein Schritt nötig: Wir müssen uns ihm öffnen und ihn in unser Leben lassen. Doch hier liegt die Herausforderung.

Auferstehung – das können sich viele Menschen nicht vorstellen. Wir sehen doch das, was uns vor Augen ist. Ein Mensch, der gestorben ist, der ist tot. Da lässt sich nicht dran rütteln. Das kann doch nicht sein. An der Auferstehung scheiden sich die Geistern. Viele Gesprächspartner von Paulus bleiben in ihrer Vorstellungswelt. Sie bleiben bei dem, was sie für möglich halten. Sie wollen lieber einen Gott nach ihren Kriterien kreieren. Und so können sie nicht über den Tellerrand ihrer eigenen Begrenztheit blicken. Dabei wäre es gar nicht so schwer. Denn der Gott, von dem Paulus spricht, der ist  kein unbekannter Gott. Er ist auch kein Gott, vor dem wir uns fürchten müssten, weil er uns nur die Begrenzungen unseres Lebens aufzeigen würde. Paulus zeigt uns vielmehr den lebendigen Gott, der Mensch geworden ist, der uns nahe sein möchte, der mit uns geht, auch durch die Niederungen des menschlichen Lebens, diese aber durchbricht. Lass Dich auf diesen Gott ein, der Dir in Jesus begegnet. Vertraue Dich dem an, der Dir Worte der Ermutigung zuspricht: „Fürchte Dich nicht!“ Bei ihm findest Du Halt und Orientierung für Dein Leben. Bei ihm kannst Du mitten in den Stürmen der Zeit geborgen sein. Er ist Dir ganz nah.

Und doch begegnen uns wieder einmal unterschiedliche Meinungen. Da gibt es die einen, die spotten. Und das ist auch in unserer Zeit so. Auf der Suche nach einem Weg, den man in diesen angespannten Zeiten gehen kann, scheinen viele Menschen von dem Mensch gewordenen Gott nichts mehr zu erwarten. Auch heute sind die Menschen auf der Suche. Das wird gerade auch in den Zeiten der Pandemie deutlich. Doch sie stochern überall herum, bauen sich ihre eigenen Konstrukte, aber lassen sich nicht auf den ein, der in aller Freundlichkeit sagt: Komm zu mir! Ich will Dir Frieden schenken und Dir den Weg zeigen, den Du gehen kannst. Und dabei bist Du nicht allein. Du darfst in einer Gemeinschaft stehen, die sich gegenseitig trägt, weil sie auf das Wort des Lebens hört. Schon zu Paulus‘ Zeiten war es so, wie wir es auch heute erleben: Es sind nicht gerade viele, die sich öffnen. Ein paar wenige schließen sich dem Paulus an. Sie lassen sich auf den bis jetzt für sie noch unbekannten Gott ein. Aber sie sind berührt worden von dieser Botschaft der Zuwendung und der Perspektive. Sie haben erkannt, dass nicht sie an Gott herumbasteln müssen, bis er in ihr Schema passt, sondern dass Gott sich uns zuwendet und uns Hoffnung, Zuversicht und Trost schenkt. Dieser Gott ist für alle Menschen da. Bei ihm sind wirklich alle Menschen einbezogen und alle dürfen sich wertgeschätzt wissen. Aber nicht alle werden dieses Angebot annehmen. In dieser Welt ist es eben so, dass es unterschiedliche Vorstellungen gibt. Wir werden mit unseren Mitteln nicht alle auf den gleichen Nenner bringen. Gott aber will allen begegnen, ob sie nun spotten oder nicht, ob sie verbohrt sind oder nicht. Er lädt alle ein: Kommt uns seht! Seid getrost, denn ich habe die Welt überwunden! So könnt Ihr Frieden finden.


Ihr Pfarrer Carsten Klingenberg